Das Mädchen Fam
In der Nacht zog ein schweres
Gewitter über ein kleines Eingeborenendorf im afrikanischen Urwald
hinweg. In einer Hütte wiegte eine junge Mutter ein kleines Mädchen im
Arm. Wimmernd drückte sich das Kind, erschreckt durch die furchtbaren
Donnerschläge, an seine Mutter. In der hintersten Ecke kniete die
Großmutter vor ihrem Lager. Rhythmisch schaukelte ihr Körper hin und
her. Sie flehte zu den Geistern um Schutz vor dem Unwetter.
Es war fast Mitternacht, als das
Unwetter endlich abzog. Die junge Frau legte das schlafende Mädchen der
Großmutter in die Arme. Sheba, so hieß die junge Frau, flüsterte der
Großmutter leise zu, dass sie ins Dorf gehen wolle, um zu sehen, ob
jemand Hilfe brauche.
"Geh nur", sagte die Großmutter zu Sheba, "Fam schläft, und ich passe auf sie auf".
Kaum hatte Sheba die Hütte
verlassen, da spürte die alte Frau eine große Unruhe. Sie erhob sich von
ihrem Lager. Ruhelos ging sie in der Hütte auf und ab. Plötzlich hörte
sie schreckliche Schrei durch die rabenschwarze Nacht dringen. Hastig
riss sie die Tür auf. Sie sah das Dorf lichterloh brennen und die
Menschen, die aus ihren brennenden Häusern flohen, wurden von
Menschenräubern eingefangen.
Die fremden Männer trieben die
eingefangenen Männer, Frauen und Kinder vor sich her. Die Großmutter
erspähte im Feuerschein Sheba, die zwischen den brennenden Hütten
hindurch versuchte, den rettenden Busch zu erreichen. Aber ein junger
Räuber hatte sie entdeckt und ergriff sie, ehe sie in der Dunkelheit
entkommen konnte.
Großmutter stürzte in die Hütte
zurück. Sie wusste, dass sie Sheba nicht mehr helfen konnte, aber Fam
wollte sie retten, ehe die Räuber die Hütte erreichten. Sie zerrte die
schlafende Fam vom Lager und floh mit ihr auf dem Arm durch die
Dunkelheit zu einem Versteck im Busch, das nur sie und Sheba kannten.
Als am nächsten Morgen alles ruhig
blieb, setzte Großmutter mit Fam ihre Flucht fort. Fams Großmutter
wollte versuchen, ihr weit entferntes Heimatdorf zu erreichen.
Viele Tage waren Fam und ihre
Großmutter auf der Flucht. Oft mussten sie sich vor wilden Tieren und
giftigen Schlangen schützen. Es war gefährlich für eine alte Frau und
ein so kleines Kind, ganz allein im Busch.
Vor herumstreunenden Sklavenjägern
musste sich die Großmutter besonders in acht nehmen. Deshalb freute sie
sich sehr, als sie nach tagelangem Wandern endlich in die Nähe ihres
Heimatdorfes kam.
Von einem sicheren Versteck aus
beobachtete sie das Dorf. Sie merkte bald, dass dort etwas nicht
stimmte. Kein Mensch war im Dorf zu sehen. Vorsichtig schlich die
Großmutter mit Fam auf das Dorf zu. Sie suchte in jeder Hütte nach einem
Menschen, konnte aber niemanden finden. Alle Bewohner hatten das Dorf
verlassen, wohl um anderswo ein neues Dorf zu gründen.
Es war für Fams Großmutter ein
fürchterlicher Schock, als feststand, dass niemand von ihrer Familie
oder den anderen Dorfbewohnern mehr da war. Wohin sollte sie nun mit der
kleinen Fam gehen?
Sie setzte Fam auf dem großen
Dorfplatz ab und fing langsam an zu tanzen. Sie tanzte und flehte
stundenlang zu den Geistern um Hilfe für sich und die kleine Fam.
Endlich wurde sie ruhiger.
Sie nahm Fam bei der Hand, und
sagte: "Wir müssen beide hier bleiben, ob wir wollen oder nicht. Den
weiten Weg zurück schaffen wir nicht mehr. Wir suchen uns eine schöne
Hütte. Darin können wir wohnen und die guten Geister werden uns
schützen". Und die guten Geister schützten Fam und ihre Großmutter....
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